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Zwischen Weinbergen und Schleusen: Main-Wanderfahrt des LRV Baden-Württemberg

Der Main schlängelt sich vom Fichtelgebirge (Weißer Main) bzw. der Fränkischen Alb (Roter Main) auf 527 km Länge durch das Frankenland, Baden-Württemberg, und schließlich Hessen. Der Main-Radweg war als einer der ersten Radwege vom ADFC mit 5 Sternen ausgezeichnet. Was für Radfahrende recht ist, kann auch für Rudernde nicht schlecht sein. Grund genug, den Main auf einer Wanderfahrt direkt vom Wasser aus zu erleben.

 

Das dachte sich wohl auch Detlef Ostheimer, Wanderwart des LRV Baden-Württemberg, als er dieses Jahr die Wanderfahrt am Main plante. Für 21 weitere Teilnehmende aus ganz Deutschland und der Schweiz hatte er 4 Boote des Landesruderverbandes reserviert und die Tour von Sand am Main nach Wertheim geplant.

 

Der Samstag war für die Anreise reserviert. Wir waren zu neunt im Bus mit den Booten angereist und nutzten den Nachmittag, die vier Boote vom Anhänger zu laden und schonmal aufzuriggern. Die restlichen Teilnehmenden hatten eine weitere Anreise und trafen nach und nach im Hotel in Sand am Main ein. Vor dem gemeinsamen Abendessen gab es zuerst eine Weinprobe mit den örtlichen Weinen. Wir lernten Domina, Rotling und Bacchus kennen, und den guten alten Silvaner, der auch in der Pfalz heimisch ist. Dazu gab es neben anderen gutbürgerlichen Gerichten auch Schäufele, die extra für uns vorbestellt waren. Die richtige Einstimmung für die bevorstehenden Tage. Schließlich wollten wir in den folgenden 7 Rudertagen insgesamt 210 km mit 16 Schleusen bewältigen.

 

Am Sonntag begann die eigentliche Fahrt, zur Einstimmung mit einer überschaubaren Etappe von 30 km und nur 2 Schleusen. Das regnerische kalte Wetter hatte den Vorteil, dass keine Motorboote unterwegs waren, und so konnten wir die Landschaft auf dem noch schmalen und weitgehend naturbelassenen Main genießen.

 

Wir hatten uns am Morgen etwas mehr Zeit für das Frühstück gelassen, und sowohl das Ablegen an der Boots-Slipanlage als auch das An- und Ablegen in der Mittagspause dauerte seine Zeit. Und da waren ja noch die beiden Schleusen. Wir hatten dort zwar kaum Wartezeit, aber allein das langsame Ein- und Ausfahren und der Schleusvorgang selbst dauert…

 

So kamen wir später als erwartet in Schweinfurt an, und nach dem Abendessen waren alle froh, bald ins Bett zu kommen. Doch kurz vor Mitternacht wurde unser Schlaf jäh von einem Feueralarm unterbrochen. Während ich mir noch wenigstens eine Jacke und Schuhe anziehen konnte, kamen einige direkt im Schlafanzug vors Hotel. Frierend und gähnend warteten wir auf die Feuerwehr und fragten uns, ob es tatsächlich brannte oder ob es sich um einen Fehlalarm handelte. Nach kaum einer halben Stunde war der Spuk vorbei: die Feuerwehr gab Entwarnung, und wir durften alle zurück in unsere Zimmer. Es hatte wohl jemand „versehentlich“ den Alarm ausgelöst, mehr erfuhren wir nicht. Aber wir waren alle froh, dass es nicht wirklich gebrannt hatte.

 

Ein große Lob an der Stelle an die Schweinfurter Feuerwehr, die innerhalb von 10 Minuten nach Ertönen des Alarms zur Stelle war.

 

Trotz der Unterbrechung in der Nacht brachen wir morgens etwas früher als am Vortag auf Richtung Dettelbach. Da wir am Mittag ab Volkach nicht der Schiffahrtslinie folgen wollten, sondern die längere Strecke entlang der Mainschleife, mussten wir hier die Bootsschleuse passieren. Diese Bootsschleusen, die es anscheinend nur auf dem Main gibt, sind so eng, dass ein Ruderboot mit Auslegern gerade so hineinpasst – Skulls müssen lang gemacht werden. Auch von der Länge passt immer nur ein Boot in die Schleuse. Bei 4 Booten bedeutet das also 4 Schleusenvorgänge á etwas 30 Minuten. Um etwas Zeit zu sparen, wurden nur 2 Boote geschleust und die anderen zwei umgetragen. Eine kräftezehrende Arbeit, schließlich hatten wir schon über 20 km gerudert und noch fast 20 weitere vor uns. Belohnt wurden wir für die Anstrengung mit wundervollen Ausblicken auf die fränkischen Weinberge.

 

Das Tagesziel Dettelbach erwies sich am Abend als kleiner Ort, in dem es wohl nur ein einziges Restaurant zu geben schien. Am nächsten morgen entpuppte es sich als pitoreskes Städtchen mit einer gut erhaltenen Stadtmauer und malerischen Fachwerkhäusern. Zum Glück hatte Detlef mal wieder etwas Zeit für einen kleinen Rundgang vorgesehen.

 

Die Boote hatten wir am Vorabend bei einem Campingplatz direkt am Fähranleger abgelegt, und wir wollten die Stelle auch wieder zum Einsetzen nutzen. Um den Fährbetrieb nicht hzu stören, musste das Ablegen minutiös geplant werden: das erste Boot wurde nahe der Rampe für die Fähre abgelegt – Skulls ans Wasser, Gepäck und Mannschaft ans Boot – Einteilung musste klar sein. Sobald die Fähre abgelegt hatte, setzten wir das Boot ins Wasser, die Mannschaft stieg ein und legte ab, noch bevor die Fähre auf der anderen Seite losfuhr. So verfuhren wir mit allen 4 Booten und schafften es tatsächlich, in kürzester Zeit abzulegen. Und auch die Camper hatten mit unserer Aktion wohl ziemlich beeindruckt.

 

Die Mittagspause hatte die nächste Überraschung parat: wir legten in Sulzfeld in einer Sandbucht an, die wohl auch als öffentliche Badestelle genutzt wird. Es gab Sonnenliegen und ein kleines Kiosk. Nachdem wir wieder alle Boote aus dem Wasser geholt und auf der Wiese gebettet hatten, um eventuelle Badegäste nicht zu stören, gab es unser tägliches Picknick. Der Tag hatte sonnig begonnen, und wir wollten vor dem Ablegen noch einen Kaffee am Kiosk holen oder das Städtchen besichtigen. Kurz nachdem wir das Picknick verräumt hatten, zog sich der Himmel zu und es gab einen heftigen Regenguss. Wir suchten zuerst Schutz unter einer Kastanie, und als das nicht mehr ausreichte, stellten wir uns am Kiosk mit unter. Erst als der Regen nachlies, setzten wir die Boote ins Wasser, und bis wir abgelegt hatten, kam auch schon wieder die Sonne raus. Welche ein Glück wir hatten ! – Hätten wir auf die Stadtbesichtigung oder den Kaffee verzichtet, wären wir bei dem Regenguss gerade mitten auf der Main gewesen.

 

Am nächsten Morgen wartete direkt an der ersten Schleuse bei Ochsenfurt die nächste Herausforderung: wegen einer „kleinen Reparatur“ mussten wir „eine Weile“ warten. Es dauerte etwas, bis alle Boote eine geeignete Stelle zum Anlegen und Aussteigen gefunden hatten, aber dann konnten alle die Wartezeit am Ufer im Schatten verbringen. Wir beobachteten, wie ein kleines Boot in die Schleuse einfuhr, offensichtlich der Reparatur-Dienst. Nach etwa einer Stunde kam das Boot wieder heraus, und kurz danach bekamen wir auch grünes Licht für die Schleuse. Alles nochmal gut gegangen, und wir mussten die Boote zum Glück nicht nochmal umtragen. Gegen Nachmittag erreichten wir wie geplant Würzburg, wo eine Stadtführung auf uns wartete.

 

Die Schleusen sollten auch am nächsten Tag ein echtes Abenteuer werden: Irgendwo zwischen Würzburg und Gemünden war uns die angekündigte Wartezeit zu lang, und wir entschieden uns für die Bootsschleuse. Wer sich unsicher fühlte, durfte aussteigen, und so waren wir in meinem Boot nur zu dritt für die Schleusung: Detlef als Steuermann, ich auf 1 und noch eine Ruderin auf Schlag. Das Einfahren mit den Paddelhaken war noch harmlos, aber als wir dann ruhig im Boot sitzen mussten, Ruder lang und auf beiden Seiten grade mal ein paar Zentimeter von der Dolle zur Wand, wurde mir doch etwas mulmig. Und das besserte sich auch nicht, als sich das Tor schloss und das Boot langsam immer tiefer in die Schlucht sank. Fast 4 Meter, da kann einem in der engen Schleuse schon anders werden. Ich war jedenfalls froh, als sich das Tor hinter mir öffnete und wir langsam und vorsichtig herauspaddeln konnten. Genug Abenteuer für den Tag.

 

Dass uns auch am letzten Rudertag noch einmal das Schleusenpech ereilte und wir beinahe 2 Stunden auf einen verspäteten Frachter warten mussten, um geschleust zu werden, ist fast nicht mehr der Rede wert. Es war der heißeste Tag der Reise (die nächste Hitzewelle hatte begonnen), und wir waren alle froh, als wir endlich die Burg Wertheim von weitem sehen konnten. Nach dem wohlverdienten allerletzten Picknick schafften wir es, in Rekordzeit die Boote abzuriggern und zu verladen, und dann machten wir uns auf ins Hotel und zum letzten gemeinsamen Abendessen. Bis dahin hatten wir auf der Fahrt auf einer Strecke von etwa 210 km insgesamt 16 Schleusen passiert, mit einer Hubhöhe von 4 bis zu 8 Metern, wir hatten Regen und Sonnenschein, Kälte und Hitze, und ab uns zu ein paar Wellen – mehr kann eine Wanderfahrt nicht bieten.

 

Eine wirklich ereignisreiche und abwechslungsreiche Wanderfahrt, die Detlef Ostheimer hier auf die Beine gestellt hat. Vielen Dank an der Stelle für die Organisation.

 

Petra Bohland (RG Speyer + RV Rhenania Germersheim)